So, ihr Lieben. Jetzt habt ihr’s fast geschafft. Vorerst letzter Eintrag. In wenigen Stunden breche ich auf nach Cancun (siehe Titel: „Los geht’s!“). Es stehen wenigstens 2060 km an… Das ist die Distanz Monterrey-Mérida. Da in der Nähe liegt auch Cancún. Ja, das ist nichts für Anfänger :-). Aber als erprobte Busprofis sind wir auf frostige Klimaanlage, lärmende Kinder oder Fernseher und Verspätung seelisch und moralisch vorbereitet. Am 22.12. fliege ich dann zur unchristlichen Zeit früh 7:20 Uhr ab und lande 7:30 Uhr am 23.12. in Frankfurt. Dann geht’s mit dem Zug weiter.
Heute werden wir erstmal die 1400 km nach Oaxaca antreten. Ich hoffe, dass ich danach keine neuen „nalgas“ brauche (= Pobacken), aber das wird sich zeigen. Ein kleines Resümee, das muss aber noch sein.
Tja, wo soll ich anfangen. Vieles wird sich später mit Fotos, Händen und Füßen usw. besser erklären lassen. Aber ich muss echt sagen: ich glaube, die Mission erfüllt zu haben. Mittlerweile bin ich so in die Kultur „eingetaucht“, dass mich viele Sachen nicht mehr wundern oder aufregen. Das liegt auch daran, dass ich nicht mehr so mit der Sprache zu kämpfen habe wie am Anfang. Jetzt kann ich mittlerweile Floskeln verstehen, interpretieren – und vor allem anwenden :-).
Gerade in den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass diese Eigenheiten und Gepflogenheiten auch irgendwie liebenswert sein können. Anfangs habe ich nie verstanden, warum auf einen Vorschlag hin immer erstmal JA gesagt wird. Auch wenn man schon weiß, dass man mit dieser Person nicht mehr Zeit als nötig verbringen will oder z.B. keine Lust hat, sich eine bestimmte Ausstellung anzugucken usw. – man sagt stets erstmal: „Ja, ruf mich an, dann machen wir uns was aus!“ Das ist einfach Pflicht und Höflichkeit. Alles andere passiert im 2. Schritt. Ob man wirklich will, zeigt sich dann, wenn man nochmal anruft, sich bemüht etc. So hält man sich einfach vieles offen und es nimmt einem keiner übel, wenn letztendlich nichts draus wird. Aber gerade am Anfang ist es natürlich schwierig zu dechiffrieren, ob jemand eine Einladung ernst meint oder nur höflich ist.
Generell sind die Mexikaner aber sehr gastfreundlich, offen und interessiert. Jeder fragt einen, woher man kommt. Und standardmäßig erkundigen sie sich dann, woher denn genau innerhalb des Landes, obwohl sie wahrscheinlich grad mal mit Mühe und Not Deutschland auf einem Globus orten können…
Leider gibt es viele Leute, auch „regios“ gennant, die noch nie das Land bzw. ihre Stadt verlassen haben, und dementsprechend ignorant und teilweise übertrieben nationalstolz sind. Hinzu kommt, dass die Leidenschaft zum Feiern, Tanzen, Singen und Leben die Bevölkerung zu einem „lärmenden Volk“ macht. Dazu habe ich ja schon einiges geschrieben. Das kostet den gemeinen Europäer einige Nerven, wenn er empfindlich auf am-Samstagmorgen-um-8-hupend-durch-die-Straßen-fahrende Idioten reagiert. Mein Favorit ist ja das Tortilla-Mobil, das öfters mit einer ohrenbetäubenden Werbeansage und nervigen 90-er-Jahre-Musik die Straßen beschallt.
Wovon sich viele Europäer bzw. Deutsche eine Scheibe abschneiden können, ist die positive Lebenseinstellung. Wenn man die Leute fragt, ob sie glücklich sind, wird die große Mehrheit ohne zu zögern „ja“ sagen, egal ob sie zu zehnt beengt mit 3 Generationen unter einem Blechdach in einer Baracke wohnen, der Vater des Hauses jeden Tag fast rund um die Uhr in seinem Mini-Laden Lebensmittel verkauft oder unterbezahlt stundenlang in einer Fabrik schuften muss. Über Proteste wegen einer 40-h-Woche inklusive Versicherungen und Arbeitsschutz würden da viele nur müde lächeln.
Zu dem großen Thema Drogen und Unsicherheit, das dominierende Problem, das einfach nicht in den Griff zu kriegen ist. Reporter leben weltweit hier (abgesehen vom Irak) am gefährlichsten, weshalb kaum über Korruption, Entführungen und z.B. den mysteriösen Flugzeug-„Unfall“ berichtet wird. Aber klar. Wenn man um sein Leben fürchten muss bzw. die Regierung sonst kein Papier (für die Zeitungen) zu Verfügung stellt, schreibt man eben nicht über kritische Themen.
Die allgemeine Politikverdrossenheit ist auch nachvollziehbar. Politiker versuchen hier, in kürzester Zeit, „soviel wie möglich zu stehlen“ (Zitat Spanischlehrerin). Deshalb gibt man Präsidenten neuerdings nur eine Legislaturperiode von 5 Jahren Zeit, damit sie nicht noch mehr für sich herausschlagen können.
Und: Mexikaner sind einfach dreist, wenn es darum geht, Blondinen anzusprechen, anzuhupen, anzupfeifen. Das merkt man aber auch schon den kleinen Rotznasen an, die einem im Bus ständig auf die Füße steigen und einen anstarren, ohne dann von ihren Eltern mal einen „Sag-‚Entschuldigung’s-Hinweis“ zu bekommen. Kinder machen sich durch Schreien bemerkbar, was aber kein Wunder ist, weil sich viele Eltern einfach nicht groß für ihren zahlreichen Nachwuchs interessieren. Man schiebe die Schuld auf mehr oder weniger streng befolgten katholischen Fanatismus, Armut, die es nicht erlaubt, Verhütungsmittel zu kaufen, oder was weiß ich.
Leider wird in vielen Aspekten sehr kurzfristig gedacht und gehandelt. Das fängt da an, wenn Schäden an Häusern absolut notdürftig bis zum nächsten Windstoß repariert werden, geht da weiter, wo Straßen bei (starkem) Regen gesperrt werden anstelle Abflusssysteme zu schaffen und hört da auf, dass es absolut an Bildungseinrichtungen und Investitionen fehlt, um Mexiko von der ewigen Abhängigkeit der USA loszulösen. Jahrelang haben sie sich auf die Nähe zu ihrem großen Bruder verlassen und exportieren daher mehr als die Hälfte zu den „gringos“. Aber heutzutage spielt Distanz keine große Rolle mehr.
China, Japan und natürlich jetzt auch die Finanzkrise machen Mexikos Wirtschaft zu schaffen. Was passiert mit Mexiko, wenn es den USA schlecht geht? Multipliziere den Effekt mal 3. Also noch viel schlimmer. Ich habe davon natürlich kaum was gespürt, außer dass sich der Dollar hier von 11 Pesos auf 13,50 Pesos verteuert hat. Aber ich hatte auch das „Glück“ in San Pedro (der reichsten Gegend Mexikos – hätte ich das gewusst!…), in der UDEM, in einer Seifenblase zu leben. Aber durch das Reisen hat sich mein Blick zum Glück erweitert und gezeigt, dass die UDEM und das Leben hier absolut NICHT repräsentativ für das Land sind.
Jedenfalls: mal sehen, was der Süden zu bieten hat. Davon habe ich ja noch nix gesehen, aber man sagt, dass dort noch sehr viel traditioneller, ärmer und sicher gelebt wird. Um dann zu Weihnachten auch wirklich alle mit meiner Erdnussbräune zu schocken, werden wir zum Schluss noch ein paar Tagen am oder in der Nähe des Playa del Carmen braten. Ansonsten ist Yucatán ein Natur- und Geschichtsparadies, was Fotos später dokumentieren werden.
Ich werde mich jetzt mal filmreif auf meinen Koffer knien und dann gucken, was ich hierlasse :-) Was mir fehlen wird? Die Sonne und Wärme wahrscheinlich, wenn ich im kalten Deutschland ankomme, obwohl ich mich auf’s Schmuddelwetter auch irgendwie freue, Klettern, das leckere Essen, natürlich die Sprache und ein ganz besonderer Dschungelbewohner namens Mogli…
Ein schon älteres Fazit des Tages: Kaktus schmeckt nicht. Ist hier zwar Hausmannskost, aber bäääh…